RA Marco SchneiderAllgemeinArtikelMedizinrechtMedizin und Recht – Ein allgemeiner Überblick

1. Mai 2022
Erfolgsaussichten bei Behandlungsfehlern

Viele Betroffene einer möglicherweise fehlerhaften Behandlung sind zunächst verunsichert. Freunde sagen Ihnen „Ärzte halten doch sowieso alle zusammen, da erreichst du nichts!“, Behandler weisen sie mit der Einordnung als „ein operationsimmanentes Risiko“ oder „einer schicksalhaften Komplikation“ ab und sie selbst sind mit der medizinischen Komplexität überfordert – Oft sieht sich der Betroffene mit seiner Vermutung allein gelassen und hat bereits einen langen Leidensweg hinter sich. Es fehlt schlicht die Kraft.

Dieser Artikel soll dem Rechtssuchenden einen allgemeinen Überblick darüber geben, wie Behandlungsfehlern im Arzthaftungsrecht nachgegangen wird, welche Position der Patient dabei einnimmt und wie die Betreibung von Schadensersatzansprüchen durch einen Patientenanwalt gewährleistet werden kann.

 

Die Stärkung des Patientenrechts

Der medizinische Wissensstand vermehrt sich rasant und zieht einen ebenso beeindruckenden Fortschritt mit sich:

Die Lebenserwartung ist heute fast doppelt so hoch, wie vor 100 Jahren, als Mädchen ab der Geburt nur knapp 50 Jahre zum Leben hatten. Die moderne Medizin befähigt Ärzte, viele einst unheilbare Krankheiten, wie Aids oder bestimmte Krebsdiagnosen, heilen zu können. Besonders der digitale Wissenstransfer von Spitzenmedizin zu kleineren Krankenhäusern auf dem Land sorgt für weitere Effekte: Kürzere Krankenhausaufenthalte und Rehabilitationen sowie immer mehr ambulante Eingriffen.

Mit der stetigen Verbesserung verflochten ist jedoch die Komplexität des menschlichen Körpers, die oft unzureichende Organisation im Krankenhaus, der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sowie schlicht – der fehlbare Mensch.

 

Irren ist menschlich

 

Wo in der Juristerei die Fehlbarkeit eines Richters mit der Existenz weiterer Instanzen abgebildet wird, galten Mediziner schon aufgrund des Kenntnisgefälles gegenüber den Patienten als unantastbar. Wer einen Behandlungsfehler vermutete, sah sich mit der Vorstellung eines geschlossenen Zusammenhalts der Mediziner untereinander und dem Fehlen eigener, medizinischer Expertise konfrontiert.

Das historisch und gesellschaftlich geprägte Bild der „Götter in Weiß“ erfährt seit 2013 mit der Stärkung und Schaffung immer weiterer Kontrollinstanzen für medizinische Fehlbehandlungen einen Wandel.

Die Schnittmenge von Recht und Medizin wird dadurch stetig größer.

Der Gesetzgeber stärkt die Patientenrechte, schafft günstige Beweislasten und bestimmt Dokumentationspflichten sowie fachärztliche Standards für die Behandler. Der Patientenanwalt kann damit auch im Nachgang einer Behandlung Fehler identifizieren und darstellbar machen.

Das Medizinrecht – als ursprünglich reines Richterrecht – ist mit der Kodifizierung des Patientengesetzes 2013 in das Bürgerliche Gesetzbuch überführt worden. Der sprunghafte Anstieg haftungsrechtlicher Fälle resultiert aus den nunmehr festgelegten Haftungsgrundlagen und Pflichten aus einem Behandlungsvertrag.

Das Patientenrechtegesetz der Bundesregierung

 

Aus der Gesetzesbegründung zu dem Patienrechtegestz der Bundesregierung wird zitiert:

Die Rolle der Patientinnen und Patienten in der Gesundheitsversorgung hat sich gewandelt. Sie sind nicht mehr nur vertrauende Kranke, sondern auch selbstbewusste Beitragszahler und kritische Verbraucher. Mit dem Patientenrechtegesetz hat die Bundesregierung die Position der Patientinnen und Patienten gegenüber Leistungserbringern und Krankenkassen gestärkt.

Ein informierter und mit ausreichenden Rechten ausgestatteter Patient kann Arzt, Krankenkasse oder Apotheker auf Augenhöhe gegenübertreten. Er kann Angebote hinterfragen, Leistungen einfordern und so dazu beitragen, dass ein wirkungsvoller Wettbewerb im Gesundheitssystem stattfindet. Unser Gesundheitswesen wird diesem Anspruch nicht immer gerecht. Oftmals fühlen sich Patienten alleine gelassen und verunsichert.

Die neuen Regelungen:

Die neuen Regelungen stärken die Rolle des mündigen Patienten und stellen ihn auf Augenhöhe mit dem Behandelnden. Die Rechte der Versicherten werden ausgebaut.
Das Gesetz

  • kodifiziert das Behandlungs- und Arzthaftungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) – Federführung BMJ
  • fördert die Fehlervermeidungskultur
  • stärkt die Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlern
  • stärkt die Rechte gegenüber Leistungsträgern
  • stärkt die Patientenbeteiligung
  • baut die Patienteninformationen aus.

 

Durch die klar dargelegte Beweislastverteilung kann ein möglicher Prozess bzw. ein außergerichtliches Vorgehen gegen einen Behandler schließlich besser prognostiziert und anwaltlich dargelegt werden. Außerdem kommt dem Gericht, konträr zu jedem anderen Zivilprozess, ein Amtsermittlungsgrundsatz zu. Damit wird der Patient davor geschützt, eine unschlüssige Klage vorzutragen. Das Gericht selbst ist in der Pflicht, den Sachverhalt so zu erforschen, dass jeder mögliche Behandlungsfehler aufgedeckt wird und Berücksichtigung findet, unabhängig ob dieser oder ein ganz anderer Fehler vorgetragen wurde.

Auch die Gerichte reagieren auf den Anstieg sowie die notwendige Spezialisierung aufgrund der Komplexität medizinischer Streitigkeiten. So findet sich mittlerweile in jedem Geschäftsverteilungsplan der Landgerichte eine Kammer für Arzthaftung mit drei Berufsrichtern.

Durch den Amtsermittlungsgrundsatz, die Erfahrung einer Arzthaftungskammer, durch unabhängige gerichtlich medizinische Sachverständige, und der Hilfe eines im Medizinrecht spezialisierten Rechtsanwalts, kommt dem Patienten vor Gericht nun endlich die Rolle zu, die für eine lückenlose Aufklärung seiner Behandlung und Leidensgeschichte notwendig ist.

 

Sachverhaltsaufklärung durch unabhängige Gutachten

Schlussendlich ist nicht für jeden Patient der Klageweg der erste oder letzte Schritt. Ein Prozessrisiko will zweckmäßig kalkuliert werden und die Erfolgschancen sollen einschätzbar gemacht werden. In den meisten Fällen kann durch eine sorgfältige Aufarbeitung eines Rechtsanwalts im Medizinrecht bereits eine außergerichtliche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche erreicht werden.

Dafür ist der Patient auf eine medizinische Sachverhaltsaufklärung seiner Behandlung angewiesen.

Auch hier ist der Gesetzgeber tätig geworden und hat die gesetzlichen Krankenversicherungen gem. § 66 SGB V dazu verpflichtet, eine Behandlung des Versicherten kostenlos prüfen zu lassen. Dies erfolgt durch einen unabhängigen, medizinischen Gutachter. Zusätzlich hat die Ärzteschaft, zur Abwehr möglicher Gerichtsprozesse, eine eigene Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen eingerichtet.

Hierdurch kann eine Behandlung für den Betroffenen kostenfrei aufgeklärt werden und eine medizinische Expertise auf den Sachverhalt gewonnen werden. Die Zahl der Begutachtungen nehmen, nach Statistiken der Bundesärztekammer, von Jahr zu jahr kontinuierlich zu.Bei der Beauftragung eines solchen Gutachtens lohnt es sich bereits einen Rechtsanwalt im Medizinrecht zu kontaktieren. Von seiner Tätigkeit umfasst ist, dass die Behandlungsunterlagen bereits im Vorfeld angefordert, geordnet und in einen auf die entscheidenden Rechtsfragen hin konkretisierten Gutachtenauftrag überführt werden. Ein Behandlungsfehler ist nicht nur ein Operationsfehler, sondern umfasst auch Aufklärungs- und Dokumentationspflichten. Auch vollbeherrschbare Risiken oder eine Behandlung durch einen medizinischen Anfänger kann zu einem schadensersatzauslösenden Behandlungsfehler führen. Die Sachbearbeiter der Versicherungen sind nicht auf Darlegungslasten und Beweisvermutungen geschult, womit die Sachverhaltsdarstellung und die Gutachterfragen im Antrag durch den Rechtsanwalt essenziell für die Bewertung schadensersatzauslösender, medizinischer Umstände sind.

Schließlich ist die Wahl des Gutachters oder der Stelle einzelfallabhängig. Berücksichtigt werden müssen Fragen, wie die der Verjährungshemmung, die Qualität und Aussagekraft eines Gutachtens, die Akzeptanz bei der Gegenseite und schließlich auch die Dauer für die Erstellung. Auch hier kann der Rechtsanwalt Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen.

 

Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen

Oft ist neben der Gesundheit auch die wirtschaftliche Existenz, Kosten für notwendige Nachbehandlungen oder gar die Arbeitskraft gefährdet. Ein finanzieller Ausgleich dafür sowie die bloße Genugtuung durch Gewährung eines angemessenen Schmerzensgeldes kann den Betroffenen helfen sich nun vollständig auf die Wiederherstellung ihrer Gesundheit zu konzentrieren.

Die Beauftragung eines spezialisierten Rechtsanwalts im Medizinrecht umfasst neben der medizinischen Aufklärung auch die Durchsetzung Ihrer Schadensersatzansprüche im außergerichtlichen Bereich. Bei dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers werden schließlich auch die eigenen Rechtsanwaltskosten ersetzt. Nach der Sachverhaltsschilderung und Einreichung Ihrer Schadenspositionen erfolgt die Korrespondenz des Gutachters sowie der Gegenseite ausschließlich über den Anwalt. Damit kann der Betroffene sich weiter auf seine Genesung konzentrieren. Parallel zur Tätigkeit des Rechtsanwalts kann damit der Weg zurück in ein beschwerdefreies und finanziell abgesichertes Leben erreicht werden.

Fazit

Der Betroffene ist als Patient dem Behandler gegenüber wehrhaft. Eine Aufklärung der eigenen Behandlung ist außergerichtlich gesetzlich ermöglicht und anhand der strengen Behandlungsdokumentationspflichten der Ärzte auch umsetzbar. Dem Betroffenen kann dadurch zum einen sein Leidensweg erklärbar gemacht werden zum anderen kann eine Genugtuung in Form des Schmerzensgeldes und weiterer, umfangreicher Schadensersatzansprüche erreicht werden.

RA Marco Schneider